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Zum Anliegen der Musikphysiologie

  • elweninger
  • 14. März
  • 3 Min. Lesezeit

Inzwischen bedient sich die Musikphysiologie eines breiten wissenschaftlichen Feldes und hat sich zu einem interdisziplinären Forschungsbereich mit unterschiedlichen pädagogischen bis therapeutischen Schwerpunkten entwickelt. Wenn es um die Gesundheit der Musizierenden geht, so stellt sich die Frage, unter welchen Umständen sie welchen Belastungen ausgesetzt sind. Im professionellen Orchesteralltag wirken alle Herausforderungen einer stundenlangen Instrumentalhaltung und Spielbewegung auf den Körper. Obwohl das Instrumentalspiel, quasi wie eine sportliche Leistung jahrelang trainiert wurde, fordert dennoch die Dauer, die Intensität und die Kombination mit Stress über kurz oder lang den Tribut des Körpers durch eventuelle übermäßige Anspannungen oder Abnützungen. Zum anderen sind die Orchestermitglieder wiederholt übermäßigen Lautstärken ausgesetzt, was besonders für jene Sitzpositionen rund um Blech und Schlagwerk relevant wird und zu Gehörschäden führen kann.

Die Herausforderungen beschränken sich aber nicht nur auf den Beruf. Der erste Prüfstein zeigt sich im Studium oder auch schon in der Musikschullaufbahn, sofern ein Kind mit ambitionierten Zielen – oder Lehrenden und Eltern – sich täglich stundenlang seinem Instrument widmet. Im Studium ist mehrstündiges tägliches Üben unerlässlich. Umso wichtiger ist es, sich mit der Organik der Instrumentalhaltung, der Physionomie des Singens und der grundlegenden Funktionalität des Körpers fundamental auseinanderzusetzen und sich der körperlichen Belastungen und eventuellen Schädigungen bewusst zu werden. Ein weiterer und sehr wesentlicher Aspekt ist der Faktor Stress in seinen individuellen Ursachen, Triggern und Erscheinungsformen. Stress entsteht chemisch im Gehirn und wirkt physiologisch im Körper, der dem Musizieren dienen soll. Hier eröffnet sich die praktische Frage der Musikphysiologie: Wie trainieren wir, sowohl bewegungsmäßig ökonomisch und zugleich stressfrei bleibend zu musizieren. Wie schaffen es Profis, diese hohe mentale, emotionale und körperliche Leistung unter den Herausforderungen eines Bühnenauftritts zu erbringen? Wie üben wir das von Anbeginn und langjährig regelmäßig? Genau diese Fragen eröffnen den Schnittpunkt der drei Hauptfelder der Musikphysiologie: Physionomie und Biomechanik, mentale und emotionale Psychologie und die Auseinandersetzung mit effizienten Übestrategien für Instrumentaltechnik und Literaturerarbeitung. Das Hintergrundwissen von Physionomie, Biomechanik und Psychologie dienen dazu, die Zusammenhänge zu verstehen, die persönlichen Stolpersteine zu begreifen und individuelle Strategien der Überwindung entwickeln zu können. Die Biomechanik will in der Instrumentaltechnik angewandt werden, mental-emotionale Techniken des Auftrittstrainings und das Wissen um die Prinzipien des Lernens wollen in den Übeplan integriert werden.

In erster Linie sucht die Musikphysiologie immer nach Möglichkeiten der Effizienzsteigerung des Übens und Musizierens, vor allem Bühnensituationen betreffend. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Prophylaxe, der Gesundheitsvorsorge für Gehör, Zähne, Muskulatur und Gelenke und Stressbelastung. Dabei verfügt sie über ein Reiches Repertoire an ergonomischen Behelfen und vermittelt überdies Strategien eines gehirngerechten und physisch ergonomischen, effizienten  Übens. Sind allerdings gesundheitliche Schäden vorhanden, so verfügt die Musikphysiologie über Verständnis, Wissen und ein entsprechendes Netzwerk von medizinischem Kollegium der Musikermedizin, das auf jene speziellen Musikerkrankheiten spezialisiert ist. In Kombination mit medizinischen rehabilitierenden Maßnahmen obliegt es wiederum der Musikphysiologie behutsam jenen Weg zu begleiten, der zurück zum Instrument und zum Musizieren führt. Als Zugänge nutzt die Musikphysiologie zum einen Körperarbeit, wie Feldenkrais-Methode, Alexander-Methode, Dispokinesis, Eutonie, Atemschulen u.a., zum anderen Mental- und Auftrittstraining, das die psychische Stärke und Bühnenpräsenz verbessert. Auf die Effektivität einiger Methoden und Zugänge wird an späterer Stelle noch eingegangen.

Damit die Musikphysiologie die umfangreichen Bedürfnisse von professionell Musizierenden erfüllen kann, ist ein breites Hintergrundwissen nötig. Dabei bedient sie sich der Anatomie, Physiologie und Biomechanik, Sensomotorik, Ergonomie, der Akustik und Neurologie. Sie interessiert sich für Bereichen der Psychologie, im Speziellen für gehirnphysiologische, neuronale und endokrine Vorgänge von mentalen und emotionalen Prozessen des Lernens, der Entwicklung von Selbstwert und der Bewältigung von Stresssituationen. Die Musikphysiologie ist bestrebt, vor allem die Zusammenhänge im Blick zu behalten, sowohl Übungen und Lösungsstrategien vorzuschlagen als auch verständnisvoll Lernende und Hilfesuchende auf dem Weg zu deren individuellen Lösungen zu begleiten.



 
 

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